Andreas Wühler schrieb diesen Artikel, welcher am 30.4.2024 in der Hockenheimer Tageszeitung veröffentlicht wurde:
Reilingen. Es zeugt schon von einem gesunden Selbstbewusstsein, einen musikalisch-literarischen Abend über die Italiensehnsucht der Deutschen mit Goethe und Dante zu beginnen. Das Trio Motzki, Maier und Schärf, das sich in der Aula der Schillerschule der Aufgabe stellte, die Beziehung der beiden Länder auf höchst unterhaltsame Art und Weise unter die Lupe zu nehmen, verfügt über solch ein Bewusstsein in hohem Maße, genährt aus dem Können seiner Mitglieder. Über zwei Stunden vergingen bei der Spurensuche wie im Fluge und boten den Besuchern reichlich Gelegenheit, ihre eigenen italienischen Momente mit nach Hause zu nehmen.
Eingeladen zu dem Abend hatten die Amici Reilingen–Mezzago und deren Vorsitzende Monika Kasper durfte sich über ein volles Haus freuen. Der Saal liebevoll in den deutsch-italienischen Farben dekoriert, ein Glas Aperol in der Hand – der Boden für die drei Künstler aus Worms war bestens bereitet. Und ab ging die Reise ins „Land, wo die Zitronen blühn“, auf den Spuren von Goethe wandelnd und mit dem Lied „Komm ein bisschen mit nach Italien“ begleitet.
Im Land, wo die Zitronen blühn
Boris Motzki erwies sich dabei als begnadeter Rezitator, Gitarrist Matthias Schärf und Sänger David Maier standen ihm nicht nach und en passant waren mit dem Dichterfürsten und Caterina Valente die Hauptströmung der Italienliebe genannt. Goethe lieferte mit seiner Italienreise Ende des 18. Jahrhunderts quasi die literarische Vorlage, das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre sorgte für eine Massenbewegung über die Alpen, ein jeder wollte ans Meer, das Dolce Vita, die Leichtigkeit des Seins erleben.
Doch vor der Leichtigkeit stand Dante. Wen die Göttliche Komödie bisher schreckt, der wurde vielleicht durch Motzki nun auf den Geschmack gebracht. Mal flüsternd, mal atemlos dahineilend, stockend oder mit Urgewalt – dem Rezitator hing das Publikum begeistert an den Lippen, wahrscheinlich hätte er auch aus dem Reilinger Telefonbuch zitieren können, seine Stimme fasziniert.
So richtig zur Hochform lief Motzki auf, als er auf „Die schöne Gewohnheit zu leben: Eine italienische Reise“ von Martin Mosebach auf den Spuren der Commedia dell’arte zitierte. Die wichtigste Erkenntnis – sie funktioniert nur mit Spaghetti, ist für Kartoffeln total ungeeignet. Und wenn Motzki dabei die Sprache der Finger aufs Korn nahm – unbeschreiblich. Fast hatte man den Eindruck, als ob einem der Pate die Leviten liest. Wer braucht noch Worte, wenn er Finger hat.
Auch beim Auszug aus einem Essay von Micky Beisenherz tobte der Saal, diesmal vornehmlich wegen der Worte. Denn Beisenherz schildert einen Urlaub am Gardasee, da müsse man nicht so tief hinein nach Italien, gerade mal so bis zu den Knien, was Typisches halt für „Miracoli-Deutsche“. Die wahrscheinlich beim „Quando quando“ von Peter Alexander textsicher mitgesungen hätten, lässig vorgetragen von Maier und Schärf.
Denn natürlich durfte die Musik nicht zu kurz kommen. Paolo Conte freute sich am „Gelato al limon“, Adrian Celentano am „Azzuro“. Ein Lied, das gleichfalls aus der Feder des Cantautore, des Liedermachers Conte stammt. Maier und Motzki holten Conte noch in Form eines Interviews auf die Bühne, der Meister wunderte sich in diesem, dass die deutschen für eine Kaffeemaschine Preise zahlen, für die man einen Fiat bekommt. Immerhin, der Riesling sagte ihm zu.
Der Riesling darf bleiben
Celentano kam nochmals auf die Bühne, in diesem Fall als Mitsänger bei der Scheibe „Toskana-Fanboys“ von Peter Fox. Der überzeugende Gesang von Maier und das Gitarrenspiel von Schärf trafen dabei auf Motzki, der Celentanos Reibestimme zum Brummen bringt.
Ach, man könnte noch viel über diesen gelungenen Abend schreiben, die Texte von Rilke oder Hemingway anklingen lassen, bei „Bella ciao“ mitsummen oder zu „L’Italiano“ von Toto Cutugno den Takt schlagen.
Doch auch italienische Nächte sind endlich und so verabschiedeten sich die drei Künstler von ihrem begeisterten Publikum, nicht ohne die gewünschte Zugabe. Und mit Sicherheit haben sie die Sehnsucht nach Italien bei vielen Menschen neu entfacht.