„Amici“ – spätestens seit dem Wochenende, an dem die Gemeindepartnerschaft zwischen Reilingen und Mezzago nun auch auf deutscher Seite offiziell besiegelt wurde, kennen in Reilingen alle die Bedeutung dieses Wortes. Viele neue „Freunde“ – eben Amici – haben sich gefunden und verlebten gemeinsam drei viel zu kurze Tage in Reilingen.
Die Organisatoren von der Gemeindeverwaltung und dem Partnerschaftsverein Amici Reilingen-Mezzago hatten ein umfangreiches Programm für das Wochenende vorbereitet, um den Gästen so viel wie möglich von ihrer neuen Partnergemeinde und deren Vereinsleben zeigen zu können. So besuchte man noch am Freitagabend zusammen die Liedernacht von „Sing2gether“, während der Samstag gemeinsamen Aktivitäten verschiedenster Art gewidmet war, in deren Rahmen ausreichend Gelegenheit bestand, Reilingen zu erkunden und sich untereinander besser kennenzulernen.
Die Mitglieder vom Motorsportclub AMC Reilingen hatten einen Parcours auf dem Parkplatz bei der Fritz-Mannherz-Halle aufgebaut, auf dem die Gäste ihre Geschicklichkeit beim Kartfahren unter Beweis stellen konnten. Davon wurde dann auch ausgiebig Gebrauch gemacht, mit Feuereifer waren alle dabei und versuchten ihr Glück auf Schumis Spuren. Bei der nächsten Station beim Sportschützenverein erklärten Nadim El Dabi und Uwe Strebelow das Schießen auf Biathlon-Scheiben, bevor dann alle nacheinander ihre Zielsicherheit testen konnten, und im Heimatmuseum wurden die Gäste bereits von Hildegard und Philipp Bickle erwartet. Wer die beiden kennt, weiß, dass eine Führung durch das Reilinger Museum immer etwas Besonderes ist. Die Gäste erfuhren so einiges über das dörfliche Leben und Arbeiten vor hundert Jahren und durften auch in der historischen Schulstube Platz nehmen. Zur Stärkung wurde danach im Biergarten des Gasthauses „Zum Löwen“ echter Reilinger Käsekuchen und Kaffee angeboten, bevor es im Planwagen von „Friedls Kaltblutschule“ weiterging zum Gemeindewald, wo die Mitglieder vom Verein „Flying Arrows“ zu den Dorfmeisterschaften im Bogenschießen eingeladen hatten. Zur Überraschung aller Teilnehmer hatten auch die „Wersauer“ von den Freunden Reilinger Geschichte im Gemeindewald ihr Lager aufgeschlagen und luden zum mittelalterlichen Messerwerfen ein.
Auch das Wetter spielte bis auf einen kurzen Regenschauer am Morgen mit, und mit dem samstäglichen Programm und den verschiedenen Aktivitäten hatte man voll den Geschmack aller Teilnehmer getroffen. Im Handumdrehen verging der Nachmittag und die kurze Zeit bis zum Abend nutzten die meisten für eine kleine Ruhepause oder nahmen ein erfrischendes Bad im Swimmingpool im Garten, bevor man sich vorbereiten musste für den Festabend.
Festakt zur Besiegelung der Partnerschaft
Es war ein sehr feierlicher Moment, den die beiden Bürgermeister, Seite an Seite stehend, sichtbar genossen: Unter den Klängen der beiden Nationalhymnen, gespielt von den Musikfreunden Reilingen, hisste Feuerwehrkommandant Mike Supper die Fahnen Italiens und Deutschlands, die danach einträchtig nebeneinander im Wind wehten.
Was im Oktober des vergangenen Jahres bereits im norditalienischen Mezzago stattfand, wurde nun in Reilingen noch einmal vollzogen und bildete den Auftakt zu der sich anschließenden Feierstunde. Mit dem klingenden Spiel des Reilinger Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr zogen mehrere Hundert Gäste in die Fritz-Mannherz-Hallen ein, um bei der offiziellen Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden durch die Bürgermeister und Gemeinderäte beider Gemeinden dabei zu sein.
Bürgermeister Walter Klein erinnerte in seiner Begrüßung noch einmal an den überaus herzlichen Empfang, den die italienischen Freunde den Reilingern im vergangenen Jahr bereitet hatten. Noch immer wirkten diese Eindrücke bei allen Teilnehmern nach, und viele persönliche Kontakte seien bereits dort entstanden. Diese Begegnungen zwischen den Menschen beider Gemeinden seien das Grundgerüst für die Partnerschaft, betonte Walter Klein. „Es liegt nun an uns allen, diese Partnerschaft mit Leben zu erfüllen“. Herzliche Worte fand auch Bürgermeister Antonio Colombo aus Mezzago. Ein langgehegter Traum gehe mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden in Erfüllung, meinte er, und man freue sich sehr auf die zukünftigen gemeinsamen Aktivitäten und den Austausch auf vielen Ebenen. Besonders am Herzen lägen ihm auch die Begegnungen zwischen den jungen Menschen beider Gemeinden, die die Zukunft Europas gestalten würden. Gerade für die Jugend sei die Partnerschaft eine gute Gelegenheit, eine neue Sprache zu erlernen und andere kulturelle und soziale Modelle zu erfahren.
Auch die beiden Vorsitzenden der Partnerschaftskomitees, Friedrich Feth und Dario Biffi gaben in ihren Grußworten dem gemeinsamen Wunsch Ausdruck, man möge „durch die Begegnung der Menschen, unserer Bürger und unseren Vereinen Ansatzpunkte finden, um Freundschaften zu fördern und zu etablieren“.
Der sich anschließenden feierlichen Unterzeichnung und Besiegelung der Gemeindepartnerschaft durch die Bürgermeister und Gemeinderäte folgte der Austausch der Gastgeschenke. Während die Gäste aus Mezzago eine von einem renommierten Walldorfer Künstler geschaffene Marmorskulptur mit den Reilinger Ortssymbolen „dem Spargel, dem Hasen als Wappentier und den die Ortssilhouette prägenden Kirchtürmen“ überreicht bekamen, hatten die Mezzagheser sich mit ihrem originellen Gastgeschenk dem Gesamtthema „Europa“ gewidmet. In einer Art „rollendem Setzkasten“, der auf die Bühne gebracht wurde, befanden sich 27 junge Laubbäumchen, stellvertretend für jeden Staat der Europäischen Union ein Baum – also ein „Europawald“. Aber auch der neu gegründete Reilinger Partnerschaftsverein hatte sich für diesen Anlass etwas einfallen lassen: Jeder Gast beim Festabend erhielt einen Freundschaftspin mit dem Aufdruck „ Amici Reilingen-Mezzago 2010“ als Erinnerung an diesen besonderen Abend.
Einem gemeinsamen Abendessen schloss sich der gemütliche Teil des Festabends an, der durch Liedbeiträge der ChoryFeen und des Männerchores des MGV 1902 ebenso bereichert wurde wie durch die verschiedenen Formationen des Studios TanzPlus von Gaby Feth-Biedermann. Viel Beifall gab es für das noch junge Gesangsensemble „Vocal Offspring“ der Sing- und Musikschule unter der Leitung von Philipp Schädel und auch die Solisten des Abends erhielten begeisterten Applaus.
In der Bar, in der die Gäste wie auch in der Halle bewirtet wurden von den TBG-Handballern, klang der Abend erst spät in den Nachtstunden aus.
Ökumenischer Gottesdienst zum Abschluss des Wochenendes
Pfarrer Jürgen Grabetz und seine evangelische Amtskollegin Stefanie Nuß strahlten um die Wette, denn so voll besetzt „sieht man die die Katholische St. Wendelinskirche nur selten am Sonntagmorgen“, wie der Geistliche schmunzelnd bemerkte. In seiner in beiden Sprachen gehaltenen Begrüßung verlieh Pfarrer Grabetz seiner Freude über die neu besiegelte Gemeindepartnerschaft zwischen Reilingen und Mezzago Ausdruck und wünschte dieser Verbindung ein gutes Gedeihen. Pfarrerin Nuß von der evangelischen Kirchengemeinde zitierte passend zum Thema Matthias Claudius, der einmal sagte „Freundschaften werden im Himmel geschlossen, und auf Erden vollzogen“. Die beiden Bürgermeister Walter Klein und Antonio Colombo hatten die Schriftenlesung übernommen, ein jeder in seiner Sprache, während der evangelische Posaunenchor und der Männergesangverein 1902 die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes gestalteten.
Über die Gemeinsamkeit des Spargelanbaus hatten die Gemeinden Mezzago und Reilingen vor nunmehr neun Jahren zueinander gefunden. So lag es förmlich auf der Hand, dass auch ein Besuch bei einem örtlichen Spargelanbauer gegenüber der Kirche nicht im Programm fehlen durfte. Die italienischen Gäste zeigten sich überaus interessiert an der Verarbeitung und Vermarktung des Reilinger Spargels und der Erdbeeren, während die Kinder die Stallungen und die vielen Tiere auf dem Bauernhof weitaus interessanter fanden.
Nach dem Mittagessen nahte auch schon der Abschied, die Busse standen auf dem Parkplatz an der Fritz-Mannherz-Halle bereit. Unzählige Gepäckstücke, Spargel- und Erdbeerkörbchen, Blumen und sonstige größere und kleinere Geschenke wurden verstaut, dann musste man den Tatsachen endgültig ins Auge sehen: Der Abschied von den Freunden war gekommen. Fröhliche Stimmung herrschte noch beim Aufstellen zum gemeinsamen Foto, das Enrico Giudicianni aus Mezzago noch schnell machte, aber die Busfahrer drückten bereits auf die Hupe und mahnten zum Aufbruch. „Ciao, grazie!“ hörte man immer wieder, hier und da wurde schnell eine Träne aus dem Augenwinkel weggewischt oder man ließ dem Abschiedsschmerz einfach freien Lauf. Nur noch eine feste Umarmung, eine zugeworfene Kusshand beim Einsteigen – „Arrivederci!“ Dann schlossen sich unwiderruflich die Bustüren hinter den Freunden und die Busse fuhren langsam auf die Straße hinaus, während ihnen die Reilinger mit deutschen und italienischen Fähnchen in der Hand noch lange nachwinkten.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war es klar: Es sind die vielen zwischenmenschlichen Begegnungen, die eine Partnerschaft wertvoll machen, mit Leben füllen und alle kleineren oder größeren „Holprigkeiten“ im Ablauf eines solchen Wochenendes um das Tausendfache aufwiegen und vergessen machen.